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Warum ich so traurig über „Wetten, dass…???“ bin

Ihr Lieben,

für alle, die es mit dem deutschen Gesellschaftsleben nicht ganz so haben, sei erklärt, dass wir Deutschen zu meiner Kindheit und Jugend ein gar merkwürdiges Völkchen waren. Es gab tatsächlich noch so etwas wie einen „Familiensinn“ und einen entsprechenden Zusammenhalt. Man hat sogar noch innerhalb der Familien Abende gemeinsam verbracht. Ohne Playstation, ohne PC, ohne Internet, ohne Tablet, ohne Smartphone und ohne Ignoranz. Im Gegenteil – alle Familienmitglieder haben sich sogar recht oft mit derselben Sache beschäftigt. Manchmal ein Gesellschaftsspiel – das waren diese Teile in etwas größeren Kartons…die bekanntesten ihrer Art nannten sich „Monopoly“, „Spiel des Lebens“ oder „Cluedo“. Man konnte mit Figuren spielen, die je nach Anzahl von Punkten auf einem Würfel ein oft hübsch verziertes Spielbrett beackerten. Und gar nicht selten saßen Mutter, Vater und Kinder sogar gemeinsam vor dem Fernseher und schauten ein Programm zusammen. Bei uns war das meistens die „Kinderstunde“ oder „Dick und Doof“, „Flipper“ oder auch mal eine Fernsehshow…

Donnerstags „Dalli Dalli“ mit Hans Rosenthal und samstags entweder „Einer wird gewinnen“ mit dem wunderbaren Kuli, das „Laufende Band“ mit dem mindestens genauso wunderbaren Rudi Carrell oder auch „Auf los geht´s los“ mit meinem ganz persönlichen Allzeit-Favoriten Joachim „Blacky“ Fuchsberger. Und seit Anfang der 80er gab es eine Show im ZDF unter dem Titel „Wetten, dass…???“. Erfunden von Frank Elstner, der zugleich auch erster Moderator der Sendung war. Ich kann mich noch sehr gut an die allererste Show erinnern. Sie kam aus Düsseldorf, meiner Geburtsstadt – und ich weiß noch, dass wir das klasse fanden, was Elstner da so trieb. Die Show wurde unter ihm schnell Kult, Nachfolger Thomas Gottschalk übernahm nach einer Weile und schnell war klar, dass „Wetten, dass…???“ zu einem echten Show-Flaggschiff internationaler Güteklasse wurde. Topstars gaben sich auf Couch und Showbühne die Klinke in die Hand, die Wetten waren lustig bis skuril. Schaut mal nach auf Youtube…da gibt es ganze Sammlungen von Highlights aus diesen Zeiten.

Nach dem kurzen Intermezzo mit dem Moderator Wolfgang Lippert kam Gottschalk zum Glück schnell wieder und übernahm wieder, bis die Tragik in die Show Einzug nahm. Der Unfall mit der schlimmen Verletzung von Samuel Koch war für „Wetten, dass…???“ der Anfang vom Ende. Thomas Gottschalk zog für sich die persönliche Konsequenz, erneut von der Moderation der Sendung zurückzutreten – dieses Mal für immer. Ein Jüngerer sollte ran. Gottschalk war wohl auch zermürbt von ewigen Kritiken aus Boulevardpresse, dem übrigen Blätterwald und diversen Onlinemedien.

Was keiner so richtig glauben wollte, wurde dann schnell klar: Dem ZDF fehlte der „Plan B“. Was machen wir denn ohne Gottschalk? Oder besser: Was machen wir, wenn der Kerl mal nicht mehr will? Offensichtlich war niemand auf diesen Fall X vorbereitet, denn mit einem Mal begann die Suche nach einem Nachfolger. Die Sendung einzustampfen, kam nicht in die berühmte Tüte. Immerhin was „Wetten, dass…???“ ja eine Institution, ein Aushängeschild des Senders – eine Live-Eigenproduktion, die regelmäßig international für Schlagzeilen und Gesprächsstoff führte. Meistens positiv, weil ja doch wieder irgendein Star oder Sternchen mit spektakulären Auftritten oder ohne die Haut bedeckende Textilien für Aufsehen gesorgt hatte.

Man fand keinen Nachfolger. Die wenigen geeigneten Kandidaten wie Hape Kerkeling wollten nicht, Leute wie Pilawa brachten sich selber in die Diskussion, um dann wieder abzuwinken und andere wurden gar nicht erst gefragt. Nach wochenlanger Suche, die auch in den Boulevardmedien mit fast schon fetter Häme gegen den Sender begleitet wurde, zog das ZDF seine Geheimwaffe aus dem Hut: Markus Lanz. Ein Typ, dem bislang so ziemlich alles gelungen war. Gut aussehend, schick, selbstbewusst, smart und mit erfolgreicher Daily-Talkshow auch schon bewährt. Lanz wollte dann wohl auch irgendwann und schon war der Nachfolger gefunden – das ZDF hatte eine Sorge weniger und der neue Moderator ein Problem mehr. Er hatte einen Job übernommen, bei dem er nur verlieren konnte.

Am 6. Oktober 2012 hatte er seine erste Sendung und am Samstag lief mal wieder so eine Sendung mit Markus Lanz. Ich mag ihn eigentlich, denn seine Talkshows sind teilweise hervorragend. Da ist er glänzend vorbereitet und muss nicht den Showman mimen, der er nicht ist. Klar, diese Sendung ist meistens nicht live, aber sie wird unter Live-Bedingungen produziert – Ihr seht dort nicht viele Schnitte. Bei „Wetten, dass…???“ aber spürt man seit der ersten Sendung, dass sich der Moderator irgendwie unwohl zu fühlen scheint in seiner Haut. Er wirkt oft nervös, fahrig, unkonzentriert, macht schlechte Witze, ist nicht unbedingt aufmerksam in Interviews und wirkt auch teilweise schrecklich unvorbereitet. Seine Wortwiederholungen kenne ich aus seinen Talkshows nicht – von einer Souveränität jedenfalls ist bei ihm nicht viel zu spüren.

Beispiel aktuelle Show am vergangenen Samstag, Dezember 2013: Markus Lanz hat Björn von ABBA zu Gast. Eine Legende, wie er richtig sagt. Lanz hat dann Glück, dass seine Co-Moderatorin in dieser Show Michelle Hunziker genau weiß, was sie Björn fragen muss. Hintergrund: Agnetha von ABBA hatte vor ein paar Wochen angedeutet, dass sie sich ein Comeback der Band im Jahr 2014 zum 40-jährigen Jubiläum durchaus vorstellen könnte. Ausgerechnet Agnetha, die ja sonst eigentlich immer als Comeback-Hemmschuh gegolten hatte. Aber seit dem Erscheinen ihrer neuen CD „A“ in diesem Jahr scheint sie wieder etwas Spaß zu haben am Musik-Zirkus. Also war klar, dass die einzig interessante Frage an Björn zu diesem Zeitpunkt zwingend sein musste, „Junge, wie sieht es aus mit dem Comeback?“. Michelle Hunziker verpackte das elegant: „Triffst Du ab und zu noch die früheren Bandkollegen“. Genial gemacht, nicht direkt gefragt, aber indirekt mitten in die Zwölf. Profi Björn hat auch schnell verstanden und klar geantwortet: „Ja, wir haben uns getroffen und über eine Reunion geredet, aber es wird keine geben.“ BAFF – das saß, eine Aussage mit absolutem Nachrichtenwert. Nachhaken ist angesagt, warum, weshalb, so schade, denn Millionen Fans warten doch drauf…und und und.

Aber Markus Lanz hat die Steilvorlage aus 2 Metern am leeren Tor vorbeigejagt, denn er schwenkte über zur ABBA-Vergangenheit. Sorry, aber das geht gar nicht. Nach der nicht spektakulären, aber durchaus schönen ABBA-Wette wollte Lanz dann Björn verabschieden, aber der wollte noch gar nicht gehen und setzte sich wieder auf die Gäste-Couch…auch da wirkte Lanz wie in vielen Momenten hilflos, schlecht vorbereitet und ratlos.

Ich will jetzt gar nicht groß eingehen auf die Geschichte mit Jim Knopf und der Stadtwette zu Beginn der Show. Da mache ich Markus Lanz gar keinen Vorwurf. Und auch sonst möchte ich meine Kritik gar nicht als Schuss gegen den Moderator verstanden wissen. Wie gesagt, ich mag ihn eigentlich und finde seine Arbeit insgesamt beachtlich und gut. Nur bei „Wetten, dass…???“ passt es einfach (noch) nicht. Die Bilanz nach einem Jahr ist leider nicht gut. Seine Änderungswünsche sind verpufft, die Quoten sind gesunken, auch wenn die jetzt aktuelle Show offenbar mit knapp 7 Millionen Zuschauern wieder einen kleinen Aufwärtstrend aufgewiesen hat. Topstars bleiben der Show fern oder wollen nicht mehr auf die Couch – Aussagen von Robbie Williams und James Blunt sagen vieles. Und die Art und Weise, wie manche Top-Gäste (Tom Hanks, Harrison Ford, Björn von ABBA etc.) in der Show behandelt wurden, spricht leider auch nicht wirklich für den Moderator Markus Lanz…

Mir tut das sehr leid. Ich habe „Wetten, dass…???“ immer sehr gerne gesehen. Die Show ist im Prinzip ja ein Teil meiner Jugend und sicher auch insgesamt ein Teil meines Lebens. 30 Jahre gibt es sie nun und ich finde diesen Niedergang sehr traurig. Am Samstag habe ich zum ersten Mal frustriert weit vor Ende der Sendung umgeschaltet, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Ich habe mich teilweise für diesen Schmarrn geschämt, die handwerklichen Fehler taten mir weh und zudem fand ich die Sendung langweilig.

Wen bitte interessiert heute noch, was Boris Becker zu erzählen hat???? Wenn jetzt jemand, „hier, mich“, schreit, der darf gerne bei Twitter nachschauen, wenn Becker dort wieder den senilen Hampelmann spielt. Aber sonst? Okay, 2 Minuten kann man ihn mal fragen, wie es ihm geht, aber dann darf er auch gerne wieder gehen. Das Lanz-Interview mit ihm war gefühlt länger als alle Interviews mit den restlichen Gästen zusammen. Zudem interessiert mich nicht wirklich, woher sich Frau Becker und Michelle Hunziker kennen…Freunde, das sind Gründe, sofort wegzuzappen. Wer das nicht bei einem anschließenden Aircheck der Sendung in der Fehleranalyse bemängelt, hat von Tuten und Blasen keine Ahnung und sollte besser Boris Becker bei Twitter beraten als eine Live-Sendung am Samstagabend im ZDF zu verantworten. Ich war übrigens früher mal Becker-Fan, als er uns als Sportler verzückt hat, aber was bitte ist daraus geworden? Wer berät den? Traurig.

Ich hoffe, dass die Show im neuen Jahr wieder die Kurve kriegt. Bislang war ich immer gegen ein Ende von „Wetten, dass…???“, aber seit Samstag muss ich ehrlich gestehen, dass mir ein Ende mit Schrecken lieber wäre als ein Schrecken ohne Ende…

Lieber Gruß,

Tom

PS.: Heute, einen Tag nachdem ich diesen Artikel online gestellt habe, wird vermeldet, dass unser „Bobbele“ neuer Trainer von Djokovic wird. Bin hoch erfreut, denn nun werden wir uns bald über Twitter-Einträge dieser Art vergnügen können: „Äh, bin äh, gerade auf Trainingsplatz in äh Dingens und der Djoko haut den Service äh mit 200 bumbum.“ Viel Spaß!! Jetzt müssen wir nur noch irgendwie den Matthäus wieder von der Straße bringen, dann haben unsere früheren Helden wenigstens wieder was zu tun.

 


Ihr wart Helden und werdet es immer bleiben

Ihr Lieben,

gestern sah ich im ZDF eine sehr interessante Dokumentation zum Thema „Gladbecker Geiseldrama“. 25 Jahre ist das jetzt schon her – eigentlich eine Ewigkeit und dennoch können sich noch so viele daran so gut erinnern. Uli Weidenbach ist in seinem Film in sehr angemessener und guter Form der Frage nachgegangen, was eigentlich dazu geführt hat, dass am Ende zwei junge Menschen sterben mussten: Emanuele de Georgi und Silke Bischoff.

Ich möchte zu den Ereignissen vor 25 Jahren gar nicht mehr viel schreiben. Aber der Film hat mich sehr bewegt, denn damals war ich junger Journalist und habe die Lage rund um die Flucht der Geiselgangster genauso mit Spannung verfolgt wie wohl fast jeder in unserem Land. Das Ereignis hat „in den Bann“ gezogen – so etwas gab es noch nie zuvor. „Reality Crime“, „Aktenzeichen XY hautnah“ nur ohne Moderator Eduard Zimmermann. Jeder konnte mitspielen und die Polizei schaute zumeist interessiert und ratlos oder ignorant zu.

Es ist schon der Hammer, dass sich heute ein „Berater der Gladbecker Einsatzleitung“ halb grinsend vor die Kameras setzt und locker flockig erzählt, wieso was schief lief. Wie bitter muss es für die Hinterbliebenen der Opfer sein, zu hören, wie Uli Weidenbach über das bewusste Wegschauen der Einsatzkräfte in Bremen berichtet. Ich war teilweise fassungslos, denn vieles hatte auch ich in den vergangenen 25 Jahren doch vergessen oder einfach nicht ganz so deutlich wahrgenommen.

Für erneute Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte und vor allem Einsatzleitungen ist es jetzt zu spät. Manche äußerten sich ja auch mit sehr viel Feingefühl und Traurigkeit in der Dokumentation. Ein Polizeireporter sprach kurz vor Ende des Films den wohl zutreffendsten Satz: „Sie sind ja völlig überflüssigerweise gestorben.“

Emanuele de Georgi und Silke Bischoff standen am Anfang ihres Lebens. Der italienische Junge, der sich im Bus rührend um seine kleine Schwester gekümmert hat…und die junge Bremerin, die im Fluchtauto während des chaotischen Showdowns und in Todesangst ihrer Freundin Ines zurief, sie soll aus dem Auto springen. Sie haben beide nicht nur unglaublich tapfer und mit wahnsinniger Kraft die Angst und furchtbare Situationen (Silke Bischoff in der Kölner Innenstadt) verarbeitet, sondern haben auch noch versucht, ihren Mitmenschen Kraft zu geben und ihnen zu helfen. Ich glaube, beide haben Leben gerettet und für mich sind beide Helden. Ich werde mich bis ans Ende meiner Tage an die Namen dieser beiden Menschen erinnern, denn für mich stehen sie für Tapferkeit, Mitmenschlichkeit, Liebe, unbändigen Kampfgeist und Lebenswillen.

Ein heute nachdenklicher Gruß,

Tom

PS.: Ich habe in diesem Blog-Eintrag bewusst darauf verzichtet, die Namen der Täter zu nennen. Auch in den „Kategorien“ und „Tags“ tauchen ihre Namen nicht auf. Zwei Gründe: Ich möchte mit den Namen hier keine Leser anziehen und zudem finde ich, dass sie es nicht wert sind, gemeinsam mit den Namen von Silke Bischoff und Emanuele de Giorgi genannt zu werden.

Noch ein kurzes Wort zum Thema „Haftentlassung“ der beiden noch inhaftierten Täter. Das Thema schwirrt mir natürlich auch im Kopf herum und damit verbunden die Frage, ob beide das Recht haben, nach nun 25 Jahren auf eine Zukunft in Freiheit zu hoffen. Ich überlege seit einigen Tagen, wie ich entscheiden würde und muss ehrlich gestehen, dass ich da geteilter Meinung bin. Zuerst kann ich die Meinung der Angehörigen verstehen. Sie haben ihre Lieben durch die Hände dieser Gangster verloren. Emanuele und Silke hat auch niemand gefragt, ob sie nicht lieber jetzt aussteigen und ein Leben in Freiheit führen möchten – sie wurden kaltblütig und ohne Erbarmen erschossen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und ich weiß auch, dass jeder Mensch ein Recht darauf haben sollte, nach einer abgelaufenen Strafe langsam wieder in die Gesellschaft eingegliedert  zu werden.

Ich bin, wie gesagt, bei der Antwort auf diese Frage hin-und hergerissen. Das Leben der Opfer wurde zerstört, das Leben der Angehörigen wurde zerstört – und nun sollen die Täter die Chance bekommen, in Freiheit weiterzuleben ? Darf ein Rechtsstaat Täter für immer wegsperren ? Haben Menschen bei uns nach 25 Jahren das Recht auf einen Neuanfang – egal, wie grausam sie vor langer Zeit waren ? Viele Fragen – ich finde für mich noch keine Antwort und ich möchte nicht in der Haut der Menschen stecken, die darüber zu entscheiden haben. Wie ist Eure Meinung ?