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Geschichte

Ihr wart Helden und werdet es immer bleiben

Ihr Lieben,

gestern sah ich im ZDF eine sehr interessante Dokumentation zum Thema „Gladbecker Geiseldrama“. 25 Jahre ist das jetzt schon her – eigentlich eine Ewigkeit und dennoch können sich noch so viele daran so gut erinnern. Uli Weidenbach ist in seinem Film in sehr angemessener und guter Form der Frage nachgegangen, was eigentlich dazu geführt hat, dass am Ende zwei junge Menschen sterben mussten: Emanuele de Georgi und Silke Bischoff.

Ich möchte zu den Ereignissen vor 25 Jahren gar nicht mehr viel schreiben. Aber der Film hat mich sehr bewegt, denn damals war ich junger Journalist und habe die Lage rund um die Flucht der Geiselgangster genauso mit Spannung verfolgt wie wohl fast jeder in unserem Land. Das Ereignis hat „in den Bann“ gezogen – so etwas gab es noch nie zuvor. „Reality Crime“, „Aktenzeichen XY hautnah“ nur ohne Moderator Eduard Zimmermann. Jeder konnte mitspielen und die Polizei schaute zumeist interessiert und ratlos oder ignorant zu.

Es ist schon der Hammer, dass sich heute ein „Berater der Gladbecker Einsatzleitung“ halb grinsend vor die Kameras setzt und locker flockig erzählt, wieso was schief lief. Wie bitter muss es für die Hinterbliebenen der Opfer sein, zu hören, wie Uli Weidenbach über das bewusste Wegschauen der Einsatzkräfte in Bremen berichtet. Ich war teilweise fassungslos, denn vieles hatte auch ich in den vergangenen 25 Jahren doch vergessen oder einfach nicht ganz so deutlich wahrgenommen.

Für erneute Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte und vor allem Einsatzleitungen ist es jetzt zu spät. Manche äußerten sich ja auch mit sehr viel Feingefühl und Traurigkeit in der Dokumentation. Ein Polizeireporter sprach kurz vor Ende des Films den wohl zutreffendsten Satz: „Sie sind ja völlig überflüssigerweise gestorben.“

Emanuele de Georgi und Silke Bischoff standen am Anfang ihres Lebens. Der italienische Junge, der sich im Bus rührend um seine kleine Schwester gekümmert hat…und die junge Bremerin, die im Fluchtauto während des chaotischen Showdowns und in Todesangst ihrer Freundin Ines zurief, sie soll aus dem Auto springen. Sie haben beide nicht nur unglaublich tapfer und mit wahnsinniger Kraft die Angst und furchtbare Situationen (Silke Bischoff in der Kölner Innenstadt) verarbeitet, sondern haben auch noch versucht, ihren Mitmenschen Kraft zu geben und ihnen zu helfen. Ich glaube, beide haben Leben gerettet und für mich sind beide Helden. Ich werde mich bis ans Ende meiner Tage an die Namen dieser beiden Menschen erinnern, denn für mich stehen sie für Tapferkeit, Mitmenschlichkeit, Liebe, unbändigen Kampfgeist und Lebenswillen.

Ein heute nachdenklicher Gruß,

Tom

PS.: Ich habe in diesem Blog-Eintrag bewusst darauf verzichtet, die Namen der Täter zu nennen. Auch in den „Kategorien“ und „Tags“ tauchen ihre Namen nicht auf. Zwei Gründe: Ich möchte mit den Namen hier keine Leser anziehen und zudem finde ich, dass sie es nicht wert sind, gemeinsam mit den Namen von Silke Bischoff und Emanuele de Giorgi genannt zu werden.

Noch ein kurzes Wort zum Thema „Haftentlassung“ der beiden noch inhaftierten Täter. Das Thema schwirrt mir natürlich auch im Kopf herum und damit verbunden die Frage, ob beide das Recht haben, nach nun 25 Jahren auf eine Zukunft in Freiheit zu hoffen. Ich überlege seit einigen Tagen, wie ich entscheiden würde und muss ehrlich gestehen, dass ich da geteilter Meinung bin. Zuerst kann ich die Meinung der Angehörigen verstehen. Sie haben ihre Lieben durch die Hände dieser Gangster verloren. Emanuele und Silke hat auch niemand gefragt, ob sie nicht lieber jetzt aussteigen und ein Leben in Freiheit führen möchten – sie wurden kaltblütig und ohne Erbarmen erschossen. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und ich weiß auch, dass jeder Mensch ein Recht darauf haben sollte, nach einer abgelaufenen Strafe langsam wieder in die Gesellschaft eingegliedert  zu werden.

Ich bin, wie gesagt, bei der Antwort auf diese Frage hin-und hergerissen. Das Leben der Opfer wurde zerstört, das Leben der Angehörigen wurde zerstört – und nun sollen die Täter die Chance bekommen, in Freiheit weiterzuleben ? Darf ein Rechtsstaat Täter für immer wegsperren ? Haben Menschen bei uns nach 25 Jahren das Recht auf einen Neuanfang – egal, wie grausam sie vor langer Zeit waren ? Viele Fragen – ich finde für mich noch keine Antwort und ich möchte nicht in der Haut der Menschen stecken, die darüber zu entscheiden haben. Wie ist Eure Meinung ?