Mega-Konzert mit fantastischen Musikern und miserabler Organisation
Der unfassbar großartige Bruce Springsteen und die fantastische E-Street-Band am Hockenheimring, am Tag danach. Ich bin total platt, denn das Konzert war nicht nur megagenial, sondern bedeutete auch Stress. Die Verantwortung dafür tragen Veranstalter, die einfach nur darauf zu schauen scheinen, dass die Kassen klingeln. Oder warum kosten Parktickets rund um den Austragungsort bis zu 75 (!!!!) Euro und werden vom Ticketabzocker Eventim sogar noch als großartige Chance beworben????
So waren wir also nicht mit dem Auto nach Hockenheim angereist (hätten wir wahrscheinlich ohnehin nicht gemacht, aber weniger Leute in den Zügen hätten das Chaos bei der Abreise entschärft), sondern brav per Bahn. Das ging auch bei der sehr bewusst von uns gewählten sehr zeitigen Anreise über den Zwischenstopp Speyer erstaunlich problemlos.
Dass aber bei weitem nicht alles so reibungslos bei der Anreise abgelaufen sein muss, bemerkten wir dann in der Location. Lange wirkte das Motodrom so, als wäre es gut besucht, aber bei weitem nicht ausverkauft. Dass uns auf unseren Tribünenplätzen die ganze Zeit eine der weißen Fahnen vor den Augen flatterte, die im Innenraum auf Toiletten und Wasser hinweisen sollten, war ein weiteres Zeichen dafür, dass der Veranstalter am Hockenheimring offenbar nicht immer an das Wohl der Zuschauer zu denken bereit war. Für 150 Euro erwarte ich auf meinen Plätzen ein freies Sichtfeld oder vorab einen Hinweis auf ein eingeschränktes Sichtfeld. Den gab es beim Ticketkauf nicht. Dass der Sound mal hakt, wie bei den ersten 5 Songs im Bereich der Südtribüne, KANN bei einem Open-Air-Gig schon mal passieren, das dauerhafte zeitliche Delay zwischen Bild und Sound auf den Videowalls war da schon ärgerlicher, zumal der Veranstalter nie auf die Idee kam, diese vor den Zuschauer-Augen flatternden WC-Fahnen (die sich nach höchstens einer Stunde auch dem letzten Besucher eingeprägt haben dürften) abzunehmen.
Die offensichtlich problematische Anreise verzögerte dann auch den Auftritt der Band um rund eine halbe Stunde. Das hatte es zuvor während der gesamten Tour von Springsteen kaum gegeben, dass der Meister mit einer derartigen Verzögerung auf die Bühne kam. Manche Besucher erreichten ihre Plätze trotzdem erst, als das Konzert schon lange lief.
Zum Konzert selbst: Dass ich Springsteen sehr schätze, habe ich hier ja schon oft genug verewigt. Er war wieder einmal fast drei Stunden lang überragend und jagte sich selber und die wunderbare E-Street-Band durch knapp 30 Songs. Nicht zu überhörende Soundprobleme bei den ersten Songs seien ihm verziehen, es war ein gewaltiges Konzert vor dann wohl rund 80.000.
Die wollen aber nach dem Konzert auch wieder nach Hause. Da der Veranstalter auf den Einsatz von Shuttle-Bussen zum Bahnhof schon lange verzichtet, machte sich dann eine Menschenmasse auf den Fußweg zurück zum Bahnhof Hockenheim. Etwa 45 Minuten. Dort angekommen, erwartet man dann aber doch spätestens eine (Vorsicht, Wortspiel!) ZÜGIGE Abfertigung, aber diese Menschenmasse wurde vor dem Bahnhof durch Polizisten gestoppt. Offenbar wollte man den Zugang zu den Bahnsteigen geregelt hinbekommen. Was auf den ersten Blick Sinn macht, war aber oben eher ätzend. Du stehst innerhalb von tausenden Menschen und niemand weiß, wann und wie es denn jetzt weitergeht. Es werden dann ja nicht weniger Menschen, denn von oben drücken immer mehr die Masse Richtung Bahnhofeingang. In solchen Momenten fühlst Du Dich, wie die Sardine in der Büchse. Eine geschlagene Stunde standen wir da, es ging nicht vor und nicht zurück, es gab keine Ansagen von Bahn oder Polizei, ab und zu Rufe nach Sanitätern (nicht jeder menschliche Kreislauf kommt mit dem Sardinen-Gefühl zurecht) wurden entweder ignoriert oder nach viel zu langer Reaktionszeit umgesetzt. Es schien, als würde der Veranstalter in Hockenheim eine derartige Großveranstaltung zum ersten Mal durchzuziehen versuchen. Aber davon kann man ja mit Blick auf die Vergangenheit (Autorennen und Konzerte)eher nicht reden.
Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit kam dann Bewegung in die Masse, offenbar war doch noch einer der angekündigten Sonderzüge eingefahren und die Polizei ließ Besucher auf den Bahnsteig. Das bedeutete aber auch, dass nun jeder aus der Besuchermasse jetzt auf den Bahnsteig wollte, es wurde von hinten gedrückt, gequetscht und gerempelt. Dass dabei offenbar nichts Schlimmeres passiert ist, reiner Zufall.
Für mich ist nach diesem Erlebnis klar: Nie wieder Hockenheimring. So etwas werde ich mir nicht mehr antun und meine Konzerterlebnisse lieber mit den Orten teilen, die eine derartige Sause auch stemmen können (und dabei auch mich als Besucher und mein Konzertvergnügen für teilweise horrende Ticketpreise im Blick haben). Und in Hockenheim scheint das aus den Augen der verantwortlichen Betrachter verlorengegangen zu sein.
Bruce Springsteen wird von all dem nicht viel mitbekommen haben. Vielleicht hat ihn die Verzögerung geärgert, aber er war großartig und hat mit seiner legendären Band eine überragende Show über knapp 3 Stunden geliefert. Wer ihn morgen noch im Münchener Olympiastadion erleben darf, kann sich glücklich schätzen. Schade, dass in Hockenheim offenbar nicht jeder derartiges Weltklasse-Niveau hat.
Eine kurze Ergänzung noch, drei Tage nach dem Konzert:
Inzwischen hat sich der Veranstaltungsleiter zu Wort gemeldet. Er weist jegliche „Vorwürfe“ gegen die Organisation in Hockenheim zurück. Sehr geehrter Herr Pauls, es handelt sich hier nicht um „Vorwürfe“, sondern um Tatsachen, Beschreibungen und Feststellungen mehrerer 1000 betroffener Menschen. Diese Menschen fühlten sich auf dem Rückweg eines großartigen Konzertes unsicher, gefährdet und standen über mindestens eine Stunde in einer Masse von Menschen rund um den Bahnhof in Hockenheim. Dies mit den Worten abzutun, „dass sich bei einem Konzert mit 80000 Menschen der eine oder andere unwohl fühle, ist nicht zu vermeiden“, ist eine bodenlose Frechheit Ihren Kunden gegenüber. Wir Kunden haben für eine solche Massenveranstaltung bezahlt und wir erwarten als Gegenleistung den gewünschten Act UND eine sichere An-und Abreise. Über die Anreise kann ich persönlich mich nicht beklagen, weil ich mit der Bahn zeitig losgefahren bin und keine Probleme hatte. Der Weg zur Abreise und damit zum Bahnhof Hockenheim war das reinste Chaos, unorganisiert und gefährlich. Dass Polizei und Hilfskräfte (die übrigens nach besten Kräften arbeiteten und nicht Teil meiner Kritik sind) die Ereignisse nach Medienberichten nun aufarbeiten wollen, ehrt sie. Gut so!!!
Übrigens bin ich niemand, der Großveransaltungen nicht kennt oder bei jedem kleinen Gedränge eine Panikattacke bekommt, wie der Herr Veranstaltungsleiter Pauls wohl von jeder kritischen Stimme nun vermutet. Jahrzehntelang war ich als Fußballreporter bei derartigen Acts in den Stadien Europas unterwegs und kenne auch so manches Chaos. Was ich dort in Hockenheim erlebt habe, hatte ich allerdings in Jahrzehnten an Berufserfahrung höchst selten. Bei einem Fußballspiel rechnest Du auch mit einer derartigen Lage – nach einem derart friedlichen Konzert erwartest Du eine solche Lage aber nicht und steckst auf einmal mitten in einer Menschenmasse, die nicht vor und nicht zurück kann. Wäre dort eine Panik entstanden…nicht auszudenken.
So bleibe ich bei meinem Fazit aus diesem CHAOS (!!!!!): Der Veranstaltungsort Hockenheimring wird mich nicht mehr wiedersehen und ich werde bei jedem meiner Freunde und Bekannten und auch an manchen Stellen in den sozialen Medien über meine Erfahrungen mit diesem Ort (und über die empathielosen und merkwürdigen Reaktionen der Veranstalter) berichten.
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